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Beast Distribution: Wie geht’s Vertrieben während der Pandemie?

Als schlimmste Krise seit dem zweiten Weltkrieg wird die Corona-Pandemie seitens der UN mittlerweile bezeichnet und die hat natürlich auch auf Skateboarding Auswirkungen. Wir haben ein paar Szenevertreter interviewt um zu sehen, wie sie mit der Situation umgehen und wie sie die Lage einschätzen. Um zu erfahren, von welchen Problemen Vertriebe betroffen sind und wie der Handel durch diese Krise kommen wird, haben wir mit Oliver Merkelbach von Beast Distribution aus Stuttgart telefoniert.

Hi Oli, wie geht’s?

Ich bin seit 18 Tagen daheim, hab tagsüber die Kids und geh abends arbeiten. Manchmal denke ich, dass die Welt vielleicht so einen Moment gebraucht hat, wenn man sich überlegt, wie extrem das ist, was wir sonst als „normal“ empfinden. Schau einfach mal auf unsere Branche, in der Brands mittlerweile nicht mehr nur Spring/Summer und Herbst/Winter Kollektionen rausbringen, sondern Spring, Summer, Herbst, Winter, Holiday, Quickstrike… Auf einmal sind aus zwei Drops pro Jahr sechs geworden und das war für alle normal. Wenn es dann mehr oder weniger über Nacht zu so einem Kollaps kommt, wie es jetzt der Fall ist, versteht man plötzlich die Welt nicht mehr?!

"Wenn man nicht wirklich Reserven hat, dann denke ich werden einige Brands, Vertriebe und Shops die evtl. auch innerhalb der letzten paar Jahre schnell gewachsen sind, in Schräglage geraten."

Es gibt ja genug andere globale Probleme – Klimawandel, Flüchtlingskrise etc. – die dadurch jetzt vielleicht auch nochmal eine neue Dringlichkeit bekommen und vielleicht kann man die Zeit jetzt ja dazu nutzen, sich selbst und das Leben um einen herum einfach besser einzuschätzen und Dinge eher wert zu schätzen und zu hinterfragen.

Das ist zumindest die Chance dafür. Man konnte noch vor wenigen Wochen für 9 Euro nach London fliegen und für 20 Euro hin und zurück nach Marokko. Das war völlig „normal“ und heute denk ich drüber nach und denke: „Fuck, das ist völlig geisteskrank.“ Schaue ich hier bei uns im Vertrieb auf die Brands, mit denen wir arbeiten, dann sind ja alles mehr oder weniger kleine zwei oder drei-Mann-Shows, ohne große Reserven. In so einer Zeit müssen dann harte Maßnahmen ergriffen werden und für alle Beteiligten sind das gerade sehr anspruchsvolle Zeiten. Ich denke hier gilt es jetzt vor allem Ruhe zu bewahren und viel miteinander zu sprechen um die Lage gut einschätzen zu können. Einige der Brands waren nicht mehr in der Lage vor Corona auszuliefern und dann sitzt man plötzlich auf einer kompletten Kollektion. Und die nächste Kollektion ist jetzt eben nicht mehr für den Herbst geplant, so wie früher, sondern soll laut Plan schon in sechs Wochen ausgeliefert werden. Ob und wie die Welt in sechs Wochen von heute aussieht ist derzeit kaum einzuschätzen. Zwei komplette Kollektionen unter Umständen dann nicht oder nur teilweise ausliefern zu können bringt dann recht schnell weitere Schwierigkeiten mit sich. Wenn man nicht wirklich Reserven hat, dann denke ich werden einige Brands, Vertriebe und Shops die evtl. auch innerhalb der letzten paar Jahre schnell gewachsen sind, hierdurch in Schräglage geraten.

Wirklich eine schwierige Lage und ich hoffe natürlich für alle nur das Beste.

Ich denke es ist auch maßgeblich mitentscheidend, wie sich die Vertriebe in dieser Zeit verhalten. Uns als Vertrieb geht es am Ende ja genauso wie allen Shops. Wir arbeiten mit ca. 120 Shops in ganz Europa. Alle Ladengschäfte sind gerade geschlossen und 99% sagen: „Corona, ich kann gerade dies oder jenes nicht und für Ware die noch kommen sollte, müssen wir bitte auch eine Lösung finden.“ Es heißt dann oft, wir müssen gemeinsam hier durch, und für mich bedeutet das, dass das nicht heißen kann das ganze Risiko auf unsere Schultern zu verlagern. Wir sprechen jetzt mit jedem Shop individuell wie man die nächsten Wochen angeht und wir gehen davon aus, dass dies noch die kommenden Wochen so weitergeht. Ich hoffe jetzt, dass man spätestens Anfang Juni wieder einigermaßen normal arbeiten kann und bleibe bei all dem so optimistisch wie möglich.

Habt ihr irgendwelche Aktionen geplant?

Wir arbeiten halt gerade sehr eng mit den Brands und Shops und versuchen so gut es geht eingeplante Ware zu bekommen und wollen die Brands noch stärker darauf aufmerksam machen, dass Ihr Support jetzt gefragt ist. Wir versuchen da kreative Wege zu finden. Vans macht grad eine coole Sache namens „Foot the Bill“. Die lassen Core Shops ihre eigenen Schuhe designen, Vans verkauft die über deren Seite und der Umsatz geht komplett an die Shops. Das find ich ziemlich cool und genau um solche Aktionen geht es.

"Die Nachwirkungen hiervon wirst du meiner Meinung nach sicherlich noch einige Jahre mitbekommen."

Was können Konsumenten denn machen, neben einkaufen natürlich, um Shops zu unterstützen?

Da hilft schon ein Instagram Post. Loyalität gegenüber dem Retail ist das, was alle Shops langfristig brauchen. Dafür sind sie aber auch zu einem großen Teil selbst verantwortlich, dadurch wie sie mit ihren Kunden umgehen.

Und wie sieht das bei euch aus?

Wir sind jetzt darauf angewiesen, dass die Shops uns weiterhin unterstützen. Momentan ist es so, dass alle großen Lieferanten zu Anfang von Corona erst mal eine Übersicht aller anstehenden Rechnungen geschickt haben, was sie in der nahen Zukunft gerne einziehen wollen. Wenn du einen Shop hast dann wirst du versuchen alles zu tun, um die zahlen zu können, weil diese Brands so wichtig für dich sind und das dein Überleben sichert. Dann werden andere Rechnungen hinten angestellt. Aber ich hoffe, dass die größeren Lieferanten jetzt eben nicht vorgezogen werden. Ich hab aber auch das Gefühl, jeder hilft uns so gut wie er kann.

Was denkst du, wird sich das Konsumverhalten ändern, sobald die Ausnahmesituation (hoffentlich bald) wieder vorbei ist?

Wenn der Tag kommt, dass alles wieder einigermaßen normal weiterläuft, dann glaub ich, dass alle erstmal Lust auf eine gute Zeit haben. Die Leute wollen draußen sein, sich mit Freunden treffen, shoppen gehen. Da besteht die Chance für einen großen Push. Ich bin da sehr optimistisch. Ich glaube aber auch, dass einige Shops, Brands oder Vertriebe die Zeit jetzt nicht überstehen werden. Damit wird sich der Markt ein Stück weit selbst bereinigen. Die Händler die durchkommen, sehe ich allerdings in einer guten Position, vor allem wenn sie im E-Commerce einen guten Job machen. Ich glaub das Thema Shopping wird sich vom lokalen nun noch eher zu einem europäischen oder globalen Thema entwickeln. Da muss jeder für sich den richtigen Weg finden seiner lokalen Community treu zu bleiben und gleichzeitig seine Reichweite organisch zu vergrößern.

Und was bedeutet das für euch als Vertrieb?

Ich denke dass nach Corona eine Menge Shops Ware ordern werden, davon wird man aber erst Spring/Summer 21 etwas merken. Fall/Holiday wird sehr zurückhaltend eingekauft werden, weil die Ordern ja ab jetzt bis Juni getätigt werden. Da wird die größte Delle sein. Und das variiert natürlich stark von Brand zu Brand.

Ich bin auch mal gespannt, wie lange man die Auswirkungen noch zu spüren bekommt.

Die Nachwirkungen hiervon wirst du meiner Meinung nach sicherlich noch einige Jahre mitbekommen.