Viel Wirbel, viel Meinung, wenig genaue Fakten – das Thema
Skateboarding bei den Olympischen Spielen kocht hoch, ohne dass die
Meisten eigentlich so recht wissen, was da ablaufen wird bzw. schon
läuft. Wir haben deshalb ein paar Verantwortliche gesprochen, die in
Deutschland mit dem Thema Olympia zu tun haben und werden diese
Interviews in den nächsten Wochen online stellen. Beginnen wollen wir
mit Deutschlands langjährigem Vorzeige Vert-Fahrer, ehemaligen Cafe-Betreiber und jetzigen Bundestrainer der Herren, Jürgen Horrwarth.
Das ISF Engagement war aus Interesse und weil ich die Leute schon seit Ewigkeiten kenne. Das Traineramt kam aus dem Skateboardverein Berlin heraus, in dem ich seit 2015 aktiv bin. Ich hatte da erstmals Einblicke in die ganze Verbandsarbeit. Cola [Hans-Jürgen Kuhn] hatte den Vorsitz für die Kommission übernommen und mich gefragt, ob ich Bock hätte etwas Vorarbeit zu leisten.
Vor der offiziellen Ankündigung, dass sich die FIRS [Fédération Internationale Roller Sports]
und die ISF vermeintlich auf die Mandatierung geeinigt haben. Das ist
ja immer noch Streit.
Genau so sieht’s aus. Das ist ein Kompromiss den die ISF eigentlich voll ungeil findet, weil die die komplette Unterstützung von der amerikanischen Skateboardindustrie und allen Interessenvertretern haben, die sich eine profitable Zukunft versprechen. Die haben natürlich die Expertise, das ist ein ganz anderes Gremium von Leuten als die FIRS. Wenn man mal die anderen Rollsportarten anschaut, die die noch vertreten, dann merkt man, was andere Leute da schon seit Jahren gemacht haben und dass das nicht unbedingt mit der Skateszene oder den Vorstellungen der ISF konform geht. Das ist halt ein sehr schwieriger Kompromiss, dass sich da alle einig sind und am Ende muss es dem IOC ja auch gefallen. Wenn man sich das anguckt, ist es natürlich krass, wie schnell sich jetzt die ganzen Events, Serien usw., etablieren müssten.
Der ist tatsächlich nur der Gründer der Woodward Camps und hat mit Turnen angefangen. Die Camp Idee kam damals von einem Turncamp, wo Jugendliche zusammen mit Olympioniken trainieren können. Das war halt zunächst nur eine Turnhalle die sich dann damals lustigerweise mit dem Inlineskate Boom entwickelt hat. Deswegen waren Inline und BMX zuerst da und später kam Skaten mit rein. Ich glaube aber nicht, dass Gary Ream ein Skater ist. Der ist halt einfach ein krasser Macher und ein krasser Geschäftsmann.
Richtig und das sind auch so Sachen. Da sind halt noch andere Parteien, wie z.B. Roller Derby oder Longboarding, mit einem gewissen Stimmrecht, die denken: „Warum glauben die Skater jetzt, dass die so wichtig sind? Uns gibt es schon seit 30 Jahren.“ Der DRIV ist der Deutsche Rollsport und Inline-Verband e.V. und darunter werden neben uns auch noch die anderen Rollsportverbände vereint.
"Die Vergabe ist halt total undurchsichtig und im Endeffekt müssen sich alle Regionen ein System aneignen, damit sie nachher sagen können: 'Das sind die letzten drei Jahre Skateboarding unserer Region in Punkten und Ergebnislisten, das sind unsere Jungs.'"
Wir haben uns schon länger Gedanken gemacht in welche Richtung es laufen könnte und das erste Modell war die Kombination eines Bundestrainers und eines Sportdirektors, der als organisatorische Kraft über dem Bundestrainer steht. Wir hatten überlegt ob Yannick Schall das macht, der war aber nicht interessiert. In der Verbandsversammlung wurde dann erst mal die Trainerstelle besetzt und jetzt suchen wir noch einen Sportdirektor, genannt Leistungssportreferent.
Im Endeffekt ist es vom DOSB finanziert. In dem Rahmen, in dem wir uns jetzt bewegen, ist es schon mal
echt gar nicht so schlecht für Skateboarding hier in Deutschland,
dafür, dass wir insgesamt nicht gerade an der Spitze stehen, alleine was
Talent angeht. Gerade beim Thema Parkskating ist es eher dünn gesät und
da sind die anderen natürlich schon weiter, aber dafür haben die
eigentlich schon ganz gute Budgets. Das ist nur alles noch nicht
greifbar. Das wird dann kommen, wenn alles so ein-oder zweimal
durchgelaufen ist und man sehen kann, was sich etabliert. Dann werden
diese Etats relativ schnell bis 2019 hin schon krass aufgestockt werden
müssen. Da gibt es dann ganz andere Kriterien zu erfüllen, weil dann
alles auf dieses IOC Programm passen muss, sonst ist man nicht
dabei.
Das kann ich alles noch nicht so genau benennen, aber im Endeffekt müssen sich die nächsten drei Jahre in den teilnehmenden Regionen Contest-Serien entwickeln und die sind momentan unterschiedlich sanktioniert. Einmal von der ISF und einmal von der FIRS. Die Vergabe ist halt total undurchsichtig und im Endeffekt müssen sich alle Regionen ein System aneignen, damit sie nachher sagen können: „Das sind die letzten drei Jahre Skateboarding unserer Region in Punkten und Ergebnislisten, das sind unsere Jungs.“ Wenn man bedenkt, dass aus jeder Region nur vier Starter Street und vier Park zugelassen werden, wird das Ganze schon relativ interessant. Nordamerika vier, Südamerika vier, Europa vier, Afrika vier, Asien vier – da kann mich sich ja ungefähr vorstellen was da geht.
Das machen wir erstmal nur für uns Trainer. Wir machen jetzt zum Beispiel auch eine Trainerausbildung. Wir gehen diese Module selber alle durch, mit dem Gedanken, dazu dann Zusatzmodule zu entwickeln, die für die Trainerlizenzen konzipiert sind, damit man sich gezielt als Trainer für Olympia qualifizieren und bewerben kann.
Genau, das Curriculum dafür wird gerade überarbeitet. Diese ganzen Trainingskonzepte werden ja auch für uns und unser Team entwickelt und das leiten wir entsprechend in die Wege, weil wir ja auch in der Praxis dabei sind: Wir gehen mit denen auf Tour, wir fahren auf jeden Contest mit denen usw. Das Schöne ist für die ganzen Jungs, die jetzt nicht die top Sponsoren haben, dass sie trotzdem eine Contest Saison mitfahren können und komplett supported werden.
Im Endeffekt basiert die ganze Geschichte darauf, dass wir den Leuten ermöglichen auf die wichtigen Events zu kommen. Da wird in Zukunft auch der analytische Gedanke dahinterstehen.
"Was jetzt noch dazu kommen wird ist, dass man viel gezielter an Contestskaten herangehen kann, denn nur darum geht es."
Das ist eine sehr gute Frage. Die kriegt man gerade, völlig berechtigt, von allen Seiten. Wir kommen erstmal gemeinsam an einen Tisch und fahren auf ein, zwei Events um das Ding ins Rollen zu bringen. Ich brauche ja Denny Pham nicht erzählen, dass er seinen Nollie Noseslide Nollie Heelflip Out bisschen geiler sliden soll. [lacht] Aber was jetzt noch dazu kommen wird ist, dass man viel gezielter an Contestskaten herangehen kann, denn nur darum geht es. Was die in ihrer normalen Skatekarriere machen ist denen ihr Ding. Das sind dann so kleine Defizite an denen man arbeiten kann, wie zum Beispiel ein Nervositätsproblem. Ich war ja selber fast 20 Jahre Pro und bin fast nur Contests gefahren, da habe ich Erfahrung.
Das mit der Videoanalyse ist noch Zukunftsmusik, aber ich hab da schon Bock drauf, wenn jemand das möchte und vielleicht auch merkt, dass das was bringt und man eine Karriere haben kann, ohne jetzt als Pro in der Industrie gesponsert zu sein.
Ich bin mir sicher, dass es irgendeine Form der Spaltung geben wird. In welche Richtung die laufen wird ist noch schwer vorherzusagen. Ich glaube aber, dass es nicht ganz so kritisch zu betrachten ist. Es gibt ja die ganzen Leute die immer sagen „Mainstreamcontests sind voll kacke und ich möchte lieber so einen kleinen local Contest mit guten Vibes.“ Das wird sowieso nicht sterben. Das wird immer aus der Szene herauskommen. Mainstream war schon immer eher uncool für Skaten und der ganze Sportaspekt immer fragwürdig. Ich habe mich irgendwann dazu entschlossen und gesagt, „Ich bezieh den Sportaspekt in meinem Skaten mit ein, weil dann kann ich davon leben.“ Dann ist es für mich eigentlich auch okay zu sagen, dass es oft Momente gibt, wo ich nicht mehr so genau weiß, ob mir gerade gefällt was ich so mache um davon leben zu können. Aber ich finde Skaten immer noch geil. Dann hat man relativ schnell wieder so einen Bezugspunkt und man sagt: „Es ist halt ein Kompromiss und man muss auch mal vor der Kamera irgendeinen Bullshit erzählen.“ Solange man sich nicht komplett verstellt ist das alles okay, denn Skaten kann einem keiner nehmen. Ich verstehe die Angst, dass das ganze Skatebild vielleicht zu mainstream wird. Aber das ist ja eigentlich eh schon der Fall und ich glaube nicht, dass Olympia da noch allzu viel beitragen wird.
"Ich verstehe die Angst, dass das ganze Skatebild vielleicht zu mainstream wird. Aber das ist ja eigentlich eh schon der Fall und ich glaube nicht, dass Olympia da noch allzu viel beitragen wird."
Richtig und da haben ihnen die Street League und die Vans Park Series voll in die Hände gespielt, weil das sind die Ersten, die Formate entwickelt haben, die TV-fähig sind. Die können einfach mal Sport-TV machen und es funktioniert. Das ist mitreißend und das versteht jeder Zuschauer. Das gab’s früher nicht.
Also für mich wäre das voll sick, wenn die neue Generation sagen
kann, „Ich war bei den Olympischen Spielen und hab eine Medaille
gewonnen!“ Aus Sportlersicht ist das doch hammer. Ich sehe es als Chance
für Skateboarding in Deutschland. Es wird überall gute Skateparks
geben. Vielleicht wird es ja so, dass Skaten wieder richtig populär wird
und Skater alle Superstars werden. Kann auch sein, dass es nach wie vor
auf dieser Underground Schiene bleiben wird und wir trotzdem saugeile
Skateparks haben werden. Das reicht mir schon aus. Und auch die
Möglichkeit, dass du eine Laufbahn hinlegen kannst, ohne von
Marketingagenturen oder Sponsoren abhängig zu sein, finde
ich cool. Das ist dann wirklich unabhängiger, dann machst du es halt
für dein Land.
Das geht ganz klar über Qualifikationskriterien. Contests, Punkte sammeln und sowas. Bei der allerersten Liste die jetzt aufgestellt wurde, gab es ja auch große Diskussionen und aus allen Ecken kamen welche die dachten sie wüssten, wie so ein Kader aussehen müsste. Im Grunde genommen haben wir uns erstmal daran bedient was in Deutschland halt existiert und das sind im Endeffekt nur Ergebnisse vom COS Cup, aber uns ist, gerade für den Vergleich mit dem internationalen Niveau, vor allem auch wichtig, welche internationalen Ergebnisse eingefahren werden.
Scouten gehört ganz klar dazu und vor allem auch begleiten. Wie in der Skateindustrie der Teammanager, bin ich jetzt für Deutschland derjenige der die Jungs mit auf Tour nimmt und alles organisiert.
Das wäre für Streetskater interessant, aber es ist ja alles nur wettkampforientiert. Die Exkursionen die wir dann machen sind zu Events. Was Trainingslager angeht, haben wir uns gedacht, dass wir mal nach Woodward gehen werden. Wir wollen die Leute in die Lage versetzen auch mal andere Dinge kennenzulernen. In Zukunft soll es auch Landesleistungszentren geben, wo die Jungs sich regional an einen Arzt oder Physiotherapeuten wenden können.
In Deutschland muss man dann zum COS Cup. Internationale Ergebnisse werden natürlich auch auf internationalem Niveau gemessen. Sagen wir mal, du gehst auf einen Contest wo die ganzen Streetleague Dudes sind und rasierst die alle komplett weg, dann muss man sich halt überlegen ob der Typ nicht viel zu krass ist um COS Cup zu fahren. Da gab’s schon die eine oder andere Entscheidung, wo wir uns gefragt haben, was jetzt mehr wiegt. Da ist einer beim Mystic Cup in den Top Drei gelandet und hat aber nur einen COS Cup mitgefahren und war dort auch nicht im Finale.
Das können wir noch gar nicht sagen. Da wird dann durch regionale Auswahlkriterien entschieden.
Nein, da gibt’s noch keine Kontakte. Ich bin halt in Kontakt mit Renton [Millar], wir sind ja seit Ewigkeiten befreundet, und der macht in Australien sein Ding. Die sind uns natürlich in der Hinsicht voraus, als dass sie schon vorher super Skateparks hatten. Die brauchen nicht jetzt erst welche kriegen. Deswegen haben die auch schon super Skater und können selektieren. Die haben auch ihr Programm mit staatlicher Subventionierung, weil die damit schon vor zwei Jahren angefangen haben und die schöpfen jetzt aus den Vollen. Shane O’Neill bezieht ein Gehalt von der Regierung, obwohl nirgendwo anders Gehälter für die Sportler gezahlt werden.
"Die Möglichkeit, dass du eine Laufbahn hinlegen kannst, ohne von Marketingagenturen oder Sponsoren abhängig zu sein, finde ich cool. Das ist dann wirklich unabhängiger, dann machst du es halt für dein Land."
Ich propagiere das jetzt nicht ganz so locker, wie er das vielleicht macht, wobei er wahrscheinlich recht hat, dass da noch einiges an Bewegung reinkommen kann. Momentan ist es aber so, dass man die Kriterien der NADA erfüllen muss, die mit dem IOC zusammenarbeitet. Das heißt, wenn man das ATP Formular unterschreibt, was die Jungs alle gemacht haben, liegt es natürlich in deren Händen. Die werden testen kommen, die Frage ist nur wen testen sie und wann testen sie. Die kommen dann vorbei und nehmen einen Pisstest und das können die sogar in der Nebensaison machen. Ich habe das bei Shaun White erlebt als der mit uns im Sommer skaten war und die Olympialeute ankamen. Ich lege dem Team das schon ans Herz, dass die das ernst nehmen, weil das durchaus Konsequenzen haben kann. Wenn du positiv getestet wirst, hast du eine Sperre für vier Jahre. Der einzige der in unserem Team eine Ausnahmeregelung bekommt ist Tyler Edtmayer, weil der ein Medikament nehmen muss, das auf dieser Liste steht. Wie sich das in Zukunft entwickeln wird, ist ein anderes Thema. Wenn du mich fragst ist Weed ganz klar kein Doping.
Klar, die Haltung kann man natürlich haben und ich verstehe auch, wenn die jetzt erstmal denken, „drauf geschissen.“ Ich kann es trotzdem nicht propagieren, dass auf die lockere Schulter zu nehmen, vor allem nicht, wenn man Dauerkiffer ist. Wenn du immer rauchst, ist das drei Monate lang im Urin nachweisbar.
Das ist wohl angekündigt für Rust, aber die können das dann in Zukunft auch auf allen Stopps machen, soweit ich das mitgekriegt habe.
Ja, das geht dann ganz flink, dass es plötzlich ein anderes Gesicht bekommt.
Bleibt halt abzuwarten in wie weit die denn dann mitreden können, was so die reguläre Skateszene beeinflussen könnte. Ich sehe es halt so, dass die Einfluss nehmen können, bei Sachen die für die relevant sind. Das wird sicherlich anderswo in der Skateszene Auswirkungen haben, aber ich glaube die werden erstmal nicht so drastisch sein.