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Quasi Skateboards | Going Dark! – Interview mit Chad Bowers

Keine zwei Jahre ist es her, dass Quasi Skateboards aus den dampfenden Ruinen der ehemals heiligen Workshop-Sekte hervorgegangen ist, und doch steht schon jetzt fest: Dieser Laden ist mehr als irgendeine Eintagsfliege im zunehmend unübersichtlicher werdenden Marken-Dickicht aus Mini-, Micro- und Vanity-Brands. Denn für die von Chad Bowers und den drei Pros Jake Johnson, Tyler Bledsoe und Gilbert Crockett initiierte Company war dieser relativ kurze Zeitraum vollkommenausreichend, um eine ganz eigene Ästhetik, einen ganz eigenen Vibe zu etablieren, der wirklich heraussticht und sich dabei kein bisschen gewollt, aufgesetzt oder gekünstelt anfühlt: Alles, was Quasi raushaut, ist visuell (manchmal auch klanglich) spannender als die meisten Vernissage-Veranstaltungen – und dass diese Herren auf ihren Boards natürlich mindestens genauso kompromisslos sind, dürfte eh bekannt sein...Teilt man das irdische Dasein in schwarz-weiß gedachte Pole wie Ordnung vs. Chaos, Form vs. Formlosigkeit auf, neigt Quasis Output immer zu Letzterem – kranke „Ladyboy“-Caps und überraschende Pferde-Stunts in Magazin-Ads inklusive – und doch verlassen sie dabei nie das Skate-Universum oder scheren sich gar um vermeintlich etablierte Sub-Schubladen wie „artsy“ oder „fashion“. Und obwohl es sich ehrlich gesagt so anfühlt, als sei es erst gestern gewesen, dass die ersten Produkte in den Regalen gelandet sind – anfangs noch unter dem Namen Mother Collective, bis die offizielle Unterlassungsaufforderung mit der Post kam –, sind auch die turbulenten Anfangstage dieser Firma schon längst Schnee von gestern. Der Grund liegt auf der Hand: Weil Quasi einfach immer noch einen draufsetzt – mit krassen Team-Neuzugängen (Dick Rizzo! Josh Wilson!), noch krasseren Graphics und noch mehr unfassbaren Boards, die sie in Mexiko von PS Stix in Form bringen lassen. Entscheidend scheint dabei ein Ansatz zu sein, den selbst ein kaputter Typ wie Eckhart Tolle begrüßen würde: Verschwende keine Zeit mit Vergangenem und zu viel Rückschau (z.B. auf Sect-Probleme, auf den Streit um die Namensrechte) oder mit zu viel Zukunftsmeierei und Plänen (konkrete Videopläne z.B.), sondern mach stattdessen einfach nur das, was sich gerade richtig anfühlt – gerade jetzt, in diesem Moment.Genau wie im Skateboarding ganz allgemein, wo endlich ein Punkt erreicht zu sein scheint, an dem eine signifikante Masse von Leuten mit reinem, emotionslosem Trick-Abspulen immer weniger anfangen kann, an dem man also (quasi) alles machen kann, ohne gleich kollektives Augenrollen und epische Diss-Tiraden zu riskieren, hat Quasi nicht davor zurückgeschreckt, großformatige Bumper-Sticker zurückzubringen, profitmindernde Poster zu den großflächigen Top-Prints beizulegen – oder auch einen relevanten Teil ihres Online-Shops für den Verkauf von kleinen Indie-Zines und -Videos bereitzustellen. Dabei ist selbst das anfängliche Motto „No More Corporate Blues“ inzwischen überholt – und durch einen weniger nach Anti-Stimmung klingenden Ansatz ersetzt worden: „Mit der ganzen Ideologie war’s genau genommen schon vorbei, als wir den Namen ändern mussten“, so Bowers. „Inzwischen trage ich Socken von Nike. Die sind voll gemütlich.“ Frei von jeglichen Bindungen und Verpflichtungen – zu irgendeiner Küste, irgendeinem Big Player – können Bowers und sein Team es sich sogar erlauben, einfach mal abzutauchen: „Sometimes you gotta go dark“, wie Chad es uns gegenüber formuliert hat. Und das passt zu seiner Rolle bei Quasi: Eine Mutter (bzw. ein Vater so eines Kollektivs) weiß schließlich, dass es oftmals sogar ein gutes Zeichen ist, wenn man nichts hört und jemand für eine Weile von der Bildfläche verschwindet.

Quasi Skateboards

[Interview: Renko Heuer | Fotos/Artworks: Quasi Skateboards/Chad Bowers]


Chad, wie sieht’s aus in Dayton, Ohio? Ist es immer noch der perfekte Standort für dich, weil’s da kaum Ablenkungen gibt?
Ja, schon – und Dayton ist einfach unsere Heimat. Momentan ist es ganz schön heiß, ganz schön feucht hier. Ich freue mich schon auf die nächsten Trips bei Herbstwetter.

Wie oft schauen derzeit eigentlich Jake, Tyler und Gil bei dir in der „Gem City“ vorbei?
Gil ist alle paar Monate mal da. Und auch Jake müsste eigentlich demnächst mal wieder vorbeikommen. Ich plane gerade einen gemeinsamen Trip, der wohl hier in Dayton beginnen wird, und das wird sicher gut, sie alle mal für eine Weile hier in der Stadt zu haben.

Wie sehr sind sie denn eigentlich involviert momentan?
Alles wie gehabt eigentlich.

Ich frage nach, weil ihr Input ja gerade in der Gründungsphase so zentral war…
Ja, und sie alle sind auch nach wie vor extrem involviert, was ihre Board-Graphics angeht, aber auch bei ganz anderen Sachen.

Bei unserem letzten Gespräch konntest du kaum fassen, wie gut die ersten Monate gelaufen sind – nur ist die Kurve seither eher noch weiter nach oben gegangen. Bist du immer noch sprachlos?
Auf jeden Fall – manchmal komme ich da ehrlich gesagt schon gar nicht mehr mit. Es war eine der schwierigsten und zugleich bereicherndsten Sachen, an der ich jemals gearbeitet habe. Aber wir haben eine tolle Crew hier und das hilft auch einfach ungemein.

Was meinst du: Was ist die perfekte Größe für eine Skate-Company im Jahr 2016?
Nun, für das, was wir machen, sind wir schon ziemlich gut aufgestellt, was die Größe angeht. Natürlich muss alles mit der Zeit auch weiter wachsen, aber ich will es echt vermeiden, irgendwann mehr als zehn Pros im Team zu haben. Die Ära ist meines Erachtens einfach vorbei.

Quasi Skateboards

Mit jeder Kollektion werden die Graphics krasser – woher nimmst du die Inspiration dazu?
Danke. Ich versuche einfach, mich mit den Leuten auszutauschen, will herausfinden, worauf sie stehen. Ehrlich gesagt rauche ich einfach einen und hänge danach im Thrift-Store [Gebrauchtwarenladen, Anm. d. Red.] ab… und Skaten selbst ist auch super, weil man währenddessen an nichts anderes denken kann, perfekt also für einen kompletten Neustart.

Ist es immer noch so, dass du höchstens „zehn Minuten für die Kernidee“ aufwendest? Ist das immer noch dein Modus?
Ja, mehr oder weniger. Schließlich kann man Tage damit verbringen, etwas hinzubiegen – nur wenn die anfängliche Idee einfach scheiße ist, bleibt sie in der Regel auch scheiße.

Die beiden letzten Boards von Gil zum Beispiel, das Rust und das Super Sport, die sind so unterschiedlich… wie kam’s dazu?
Ganz einfach: Gil schickt mir eine Message, in der steht: „Können wir ein Board mit Speed-Booten machen?“ Oder ich krieg halt eine, die besagt: „Guck mal, wie findest du das Bild von meinem Freund Rust?“ Und dann machen wir das. Ganz einfach eigentlich.

Ja, und obwohl sie so unterschiedlich sind, verbindet sie doch irgendetwas: Die Farben, diese Gegensätze, diese Asymmetrien, irgendetwas Neues ist da immer. Kannst du das für mich in bessere Worte fassen?
Also ich will jetzt auch nicht irgendwelche Design-Begriffe auspacken, aber was mir durch den Kopf geht, sind Fragen wie: „Wie wird das aussehen, wenn wir daraus ein Foto oder Footage machen?“ Oder: „Wird das gut aussehen, wenn’s an der Wand hängt?“ Das ist es eigentlich auch schon. Und klar versuche ich, jedes Mal mit jeder Kollektion etwas komplett Neues zu machen.

Wie viele Leute sind denn daran beteiligt, diese Balance zu finden, also die Grenzen immer wieder neu abzustecken ohne sie komplett zu brechen?
Wir sind wie gesagt eine kleine Crew hier, fünf Leute. Jeder steuert seinen Teil dazu bei. Und ich bombardiere die anderen mit meinen Fragen: „Sieht das hier verrückt aus? Ist das hier schon zu dick aufgetragen?“ Keine Ahnung, wo die Ideen herkommen. Und noch mal: Wenn man eine Idee erzwingen muss, dann taugt sie wahrscheinlich auch nichts. Musstest du schon mal Zimt-Flakes ohne Milch essen? Gibt’s den Schrott auch in Deutschland oder machen so etwas nur wir Amerikaner?

Quasi Skateboards

Will Gaynor, der die Porträts von Oldham und McKenna für die ersten Boards beigesteuert hat, ist ganz aktuell mit dem „Please“-Board wieder am Start. Berichte doch mal, wie so etwas abläuft. Hat er 100% Carte Blanche?
Absolut sogar. Die „Please“-Zeichnung hat er mir einfach ungefragt zukommen lassen. Sie ist der Hammer. Normalerweise diskutieren wir erst und dann legt er los und macht sein Ding. Ich will mich da auch nicht zu sehr einmischen. Und manchmal will ich zu seinen Sachen gar nichts mehr ergänzen – sodass er mich schließlich sogar dazu überreden muss, es doch noch zu tun.

Abgesehen von Josh und Dick – zwei grandiose Neuzugänge im Team und ein lässiges gemeinsames Board für die beiden! –, wer sind denn momentan eure Flow-Fahrer? Justin und Drake?
Yeah, genau: Drake Johnson, Justin Henry, Keegan, Justin Drysen, Danish, Kaio, Shogo und noch ein paar andere. Volles Haus also.

Und jetzt die große Frage: Gils „Salt Life“-Part liegt schon eine Weile zurück… was also gibt’s für News in Sachen Quasi-Video? Wie weit seid ihr? Und wer außer Ugly Bill/Will Rosenstock filmt momentan für euch?
Will arbeitet immer noch am Venue-Video mit Gil. Paul Young hat mit Josh und Dick an Sachen für uns gearbeitet und Tyler wird einen Part haben, den ich momentan editiere. Ich wollte ein großes Video machen, aber… alles zu seiner Zeit. Sind einfach zu viele Projekte momentan, um ein großes Video zu machen. Also werden wir den Stuff einfach raushauen: Online, physisch, etc. Mal schauen, was da kommt!

Was euren Insta angeht, hat man das Gefühl, dass ihr da richtig Bock drauf habt – und nicht einfach nur Content kreiert, wie man das heutzutage so macht…
Ja, wenn eine Idee kommt, dann kommt sie. Und wenn nicht, dann nicht, dann heißt es: go dark. Dann bleibt der Bildschirm dunkel und wir ziehen den Stecker. Hab ehrlich gesagt das Gefühl, dass Instagram seinen Höhepunkt schon hatte.

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Eine Zeile wie „send s.a.s.e. and 2$ for stickers“ [frankierter Rückumschlag und Kohle, Anm. d. Red.] hat mich voll an die Neunziger erinnert. Schicken Leute denn wirklich Cash und wollen Aufkleber?
Ha, ja, ich hätte auch nicht gedacht, dass die Kids das checken, aber nach einer Woche hatten wir schon gut zehn Umschläge im Office liegen.

Ihr verkauft in eurem Shop auch grandiose Printmagazine wie Stoops oder Push… wie denkst du aktuell über Print ganz allgemein?
Ich mag Print, aber ich glaube auch, dass es einfach nicht mehr das gleiche Echo nach sich zieht wie z.B. vor zwanzig Jahren. Den Kids sind die Fotos einfach egal – oder der Feed hat dazu geführt, dass sie inzwischen vollkommen abgestumpft sind. Wie dem auch sei, ziemlich beschissen eigentlich. Ich mag den Geruch von Papier. Das Internet hat keinen solchen Geruch.

Abgesehen von dem, was ihr mit Quasi macht, was findest du spannend in der aktuellen Skateboard-Landschaft?
Skateboarding ist immer noch hart – das finde ich spannend. Vor kurzem wollte ich dieses Scooter-Kid dazu bringen, mal auf ein Board zu steigen, aber er sagte zu mir, skaten sei einfach zu hart für ihn – ha! Und was Videos angeht, sind wir an einem Punkt angelangt, wo jeder, ganz egal wo, etwas machen kann, das es sich anzuschauen lohnt. Die meisten Independent-Videos sind besser als die großen Big-Budget-Produktionen. In der Regel haben sie auch den besseren Soundtrack.

Apropos Soundtrack: Nenn mir doch mal einen Song, der den Vibe eurer nächsten Video-Releases auf den Punkt bringt.
„Plantasia“.

Wie oft denkst du eigentlich noch an Mother zurück? Und belegt das ganze Kapitel letztlich nur, wie viel Wahres an dem Spruch „Namen sind Schall und Rauch“ dran ist?
Auf jeden Fall. Ich glaube nicht, dass ein Name da ausschlaggebend ist. Kommt eher darauf an, was man damit macht.

Eins noch: Weißt du vielleicht, warum Jake statt unter @jkjhnsn nur noch als #jkjhnsn unterwegs ist?
Ich schätze mal, dass er einfach keine Lust mehr darauf hatte. Sometimes you gotta go dark. Manchmal muss man einfach abtauchen und den Stecker ziehen.

Was kannst du sonst noch ankündigen?
Im Januar 2017 werden wir eine neue Board-Konstruktion vorstellen: Sie wird Skateboarding revolutionieren.

Haha, danke!

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