Auch wenn es nicht immer explizit geschieht, steht Skateboarding in enger Beziehung oder Wechselwirkung mit Themen wie Stadtplanung oder Raumnutzung. Wir haben diesem Thema deshalb sogar bereits eine ganze Ausgabe gewidmet. Auch Transurban beschäftigt sich damit und bei der diesjährigen Residency in Dortmund kam es zur Verknüpfung von Skateboarding und Raumgestaltung, indem der Künstler Roberto Cuellar eine Bühne in Form einer Miniramp geschaffen hat. Wir haben dazu mit Roberto, sowie Georg Barringhaus, dem Projektkoordinator von Transurban, gesprochen.
Die Grundidee war eine skatbare Skulptur zu erschaffen spezifisch für diesen Ort. Durch die physischen Voraussetzungen des Ortes, wie z.B. die genaue Positionierung der Arbeit wegen der Fußgängerwege, die Unebenheiten des Bodens oder aber auch, dass wir unter einer Brücke arbeiteten und trotzdem Zugang zu Elektrizität haben, bin ich schell auf die Idee gekommen, die Arbeit in Gestalt einer Bühne zu betrachten.
Durch die Größe des Objektes, habe ich zum ersten Mal einen offenen Raum erschaffen, welcher sich wiederum in einem größeren Raum befindet (unter der Brücke). Man kann es somit als eine Raum im Raum Arbeit bezeichnen.
Ich sehe es als eine koexistente Interaktion zwischen meinen Arbeiten. Damit meine ich, zwischen der Skulptur und dem Raum. Mir ich es wichtig, die Ressourcen des Ortes aufzugreifen und zu nutzen. Ich bin glücklich, wenn das Resultat, den Ort mit meiner Arbeit aufleben lässt. Bei diesem Projekt „Die Bühne“ war das Ziel, einen Begegnungsort zu erschaffen. Dieser sollte nicht nur funktional für die Skater sein, sondern auch alle Menschen dazu einladen, an diesen Ort zu verweilen und ihn aktiv zu benutzen. Nutzungsmöglichkeiten wären zum Beispiel: Theater-, Tanzaufführungen oder Konzerte.
Vorweg zur Begrifflichkeit: Tansurban ging dieses Jahr als Residenzprogramm für urbane Kunst und Stadtforschung an den Start. Hier treffen sich Künstler*innen, Studierende, Dozierende und allerlei interessierte Menschen um gemeinsam mit und in öffentlichen Räumen künstlerisch und künstlerisch-forschend zu arbeiten. Die Residenz ist hier eine räumliche Aktivierung. Die Gemeinschaft, die sich zum Projekt unter dem Schlagwort „Common Space“ – der öffentliche Raum als Allgemeingut – bildet, wird langfristig den aktivierten Raum nutzen und weiter ausgestalten. Der Begriff Festival klingt hier zu kurzlebig, kommerziell ausgerichtet und wenig nachhaltig; dabei hänge ich mich auch gern an der negativ belegten Festivalisierung des Kulturbetriebes auf. Aus künstlerischer Perspektive ist Skateboarding eine Urform der selbstautorisierten Aneignung von Stadtraum und dessen freien Erkundung – egal ob öffentlicher Raum, privater Raum oder vergessener Brachraum, den niemand besitzen möchte. Der urbane Kunstbegriff, den ich vertrete, fußt u.a. auf der Idee der räumlichen Aneignung und des Derivés, des ziellosen Umherschweifens im Städtischen, das auch im „Trespassing“ münden kann. Urbane Kunst ist eine räumliche Kunst. Sie nutzt Räume, interveniert in diesen, schöpft aus und wirkt in deren Kontexte hinein: architektonische, kulturelle, soziale, geschichtliche, politische oder anderweitig gelagerte Kontexte. Aneignung und Erkundung sind also zentrale künstlerische Strategien bzw. Methoden, die für das Skaten und seiner DIY-Praxis Selbstverständlichkeiten sind. Aus städtischer Perspektive ist Skateboarding Ausdruck einer lebendigen, kreativen und selbstbestimmten Stadtgesellschaft. Ein verbindendes Element das Gemeinschaft bildet. Skateboarding leistet eine für die (Weiter-) Entwicklung unserer Städte notwendige Aktivierung von Raum durch Aneignung. Nicht nur das Skaten selbst sondern vor allem der Bau von Rampen, Obstacles und Parks. Die Transburban Residency in Dortmund in dem Brachraum unter der Mallinckrodtbrücke fußt auf dem Ansatz von Skateboarding als Raumaktivierung und Aktivierung einer Gemeinschaft für diesen Raum. Roberto Cuellar hat für die Residency in einem kollaborativen Prozess mit Dortmunder Skater*innen, Studierenden und Urbanist*innen seine skatebare Skulptur „Die Bühne“ entwickelt und gebaut. Angelehnt an die Gestaltung entstanden Sitzmobiliar und Ausstellungsflächen. „Die Bühne“ wird nun für die kommenden fünf Jahre ein Ort urbaner Subkultur, der sich strukturell und programmatisch weiter entwickeln wird. Ein Raum für Skater*innen, Anwohner*innen, Künstler*innen und Kulturschaffende sowie Nutzer*innen des kreuzenden Emscherradweges.
Ich hoffe doch! „Stadt“ ist unser zentrales Bezugssystem. Ort, an dem wir leben, arbeiten und wohnen; in dem wir Politik machen, Dinge produzieren, Wirtschaften und Handeln. Sie ist der Ort der Gemeinschaften – Familie, Freunde, Kolleg*innen Nachbarn und noch kennenzulernende Unbekannte. Ort, an dem wir neue Ideen und Werte produzieren, Utopien denken, uns weiterbilden, Erfahrungen sammeln, Wissen und Innovation generieren; auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene. Stadt ist der Raum für unsere Selbstverwirklichung. Sie ist unser zu Hause – welches sich aus den vielen privaten Räumen der Häuser, Wohnungen, Keller und Hinterhöfe sowie deren öffentlichen Räumen wie Plätze, Straßen Parks und Gehwege bildet; und unser zu Hause will von uns selbst gestaltet werden. Auch wenn die verstädtert Gesellschaft ein Phänomen des 20 Jh. ist, ist die Frage nach dem guten (Zusammen-)Leben eine alte und niemals endende. Ich wünsche mir, dass die Frage von Stadtgestaltung, -Nutzung und Zusammenleben weniger exklusiv von Politik, Verwaltung und Experten verhandelt wird, sondern stärker öffentlich, gemeinschaftlich und individuell von jedem von uns.
Die Stadt der Zukunft würde wohl den Rahmen des Interviews sprengen. Aber ja, meines Erachtens wird Skateboarding als Fortbewegungsmittel, als künstlerisches Mittel und als Medium der Selbstverwirklichung immer seinen Platz in Stadt haben bzw. sich nehmen.
Die oben dargestellten Ideen und Werte von Selbstbestimmung, städtischer Kreativität, Selbstwirksamkeit und -Verwirklichung als auch die Bedeutung von Skaten für Stadtentwicklung in der Ausbildung von nutzbaren und zugänglichen öffentlichen Räumen für Gemeinschaften finden ihren Ausdruck bzw. Ursprung zum Do-it-yourself Prinzip. Jede Stadt braucht einen Skatepark! und es entstehen landesweit immer neue Anlagen auch durch kommunale Auftraggeber und professionelle Skatepark-Architekten und private Initiativen. Ein DIY Skatepark hat jedoch vor dem oben genannten Hintergrund eine ganz andere Qualität! Der Kölner Veith Kilberth hat zu diesem Thema vor kurzen das sehr interessante Buch „Skateparks: Räume für Skateboarding zwischen Subkultur und Versportlichung“ veröffentlicht.
Kunst ist Motor von urbaner Transformation und urbanen Aushandlungen. Sie reflektiert und produziert Vorstellungen von Stadt. Sie schafft durch ihre öffentliche Entstehung und Wirkung Öffentlichkeit für Veränderung und die Notwendigkeit für Veränderung. Sie bezieht ihre Betrachter*innen mit ein, löst bei diesen Gedanken und Vorstellungen aus. Sie regt an, Neues zu denken und zeigt Möglichkeiten des Handelns auf. Sie vermittelt Werte und Haltungen und diskutiert dabei auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Veränderung. Als Möglichkeitsraum lädt sie ein Neues zu entwickeln und zu erproben, sie schafft damit Ideen und Grundlagen für Veränderung. Für die Transurban Residency ist urbane Kunst, und im Speziellen Roberto´s Skulptur „Die Bühne“ für den Projektraum in Dortmund, der zentrale Anker, Motiv und Handlungsraum für die Prozesse und Ergebniss.