is loading
EN DE

Bonkers vs Bots

Wie sich der Frankfurter Shop gegen Reseller wehrt

Langen Schlangen vor Supreme Läden, exklusive Kollaborationen mit bekannten Brands außerhalb von Skateboarding und selbst campende Sneakerfans vor Skateshops – an das alles haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Verknappung schürt Nachfrage aka Hype und genau den wollen alle. Was ebenfalls alle wollen, sind die dabei verkauften Produkte – aber da die rar sind, ist es meist schwierig. Viele die den Stuff unbedingt haben möchten, benutzen deshalb Bots, um innerhalb von Millisekunden zu ordern und schneller zu sein als der Rest. Aber auch Reseller, die einfach nur durch Weiterverkauf Kohle mit dem Produkt machen wollen, anstatt es selbst zu tragen, setzen sie ein, schöpfen die Produkte ab und treiben die Preise hoch. Beim "Drop" des neuen Nike SB x Parra Schuhs hat Martin Schreiber vom Bonkers in Frankfurt sein ganz eigene Strategie entwickelt, um dem entgegen zu wirken.

soloskatemag Bonkers Bots 3

Martin Schreiber (left)

Was machst du gerade Martin?

Ich bin am Pakete packen.

Da sind wir ja direkt schon im Thema. Das gab es ja früher nicht wirklich, oder? Diese Drops, campen vorm Shop und dass man dann ewig rausschicken musste in die ganze Welt. Wann kam dieser Hype auf?

Also das gab es schon mal bei Nike SB. Vielleicht in Deutschland nicht so krass, aber in den USA auf jeden Fall. Und seit zwei Jahren geht’s bei uns auch drunter und drüber. Das ist hier nur so ein neues Ding, weil Deutschland natürlich immer ein paar Jahre hinterher hinkt. Aber es ist halt einfach so, die Marken verknappen das Produkt um Hype zu generieren. Dann kriegen die meisten die Schuhe eben nicht mehr oder müssen horrende Preise bezahlen, weil irgendwelche Heinis die gekauft haben und sie für das Dreifache online stellen.

Betrifft das hauptsächlich Nike oder ist das bei anderen Marken ähnlich?

Also im Skateboarding würde ich sagen aktuell nur Nike. Weil die machen halt auch mal was Lustiges, auch wenn es irgendwie komplett strange ist. Und das ist eben bei den anderen nicht so.

"Da existiert ja ein richtiges Business mit Shops, die keinen einzige Account von irgendeiner Marke haben, aber trotzdem die ganzen Sachen und die zu horrenden Preisen verkaufen."

Campen denn bei solchen Drops Skater vor deinem Laden oder sind das eher Sneakerheads, die mit Skaten gar nichts zu tun haben?

Eher Letzteres, aber die fangen teilweise auch an zu Skaten. Wir haben mittlerweile ein bisschen mehr Kontakt zu den Jungs, und es gibt einige die gesagt haben: „Ich kauf mir jetzt ein Skateboard.“ Klar, wie lang die dabei bleiben ist eine andere Story.

Und grundsätzlich ist es ja nicht verkehrt, wenn Leute, die nicht Skaten, auch im Skateshop Sachen kaufen. Dann fließt Geld in die Szene.

Ganz genau. Ein Skateshop lebt ja eh nicht von Skatern. Jetzt mal ganz im Ernst. Die geben ihr Geld lieber für Weed aus. Und an Hardware verdiene ich einen Scheißdreck. Von einem Board bleiben mir, nach Steuer und free Grip, am Ende vielleicht acht Euro. Ein Skateshop hat schon immer auch von den Leuten gelebt, die sich dort den Lifestyle mit gekauft haben. Ich mein, wie wenig Skater gibt es hier in Deutschland und wie viele Skateshops? Und wie viel Leute siehst du, die irgendwas mit Skaten an haben, aber die 100 pro kein Board zu Hause haben?

Zurück zu den Drops, bei denen ihr Probleme hattet – speziell mit Bots. Welche Probleme haben die euch bereitet?

Also da gibt es diesen Schuh, der ist auf Stückzahl X limitiert und dann spielen manche einfach unfair und benutzen Bots und vor allem gibt es Einige die sagen: „Ich will zehn haben und verkauf die für den dreifachen Preis weiter.“ Da existiert ja ein richtiges Business mit Shops, die keinen einzige Account von irgendeiner Marke haben, aber trotzdem die ganzen Sachen und die zu horrenden Preisen verkaufen. Und bei uns war halt das Ding… Wir hatten irgendwie 700.000 Aufrufe in der Minute. Welcher Server soll damit klarkommen?

700.000 Aufrufe in der Minute?!

Ja! Das ist als wäre ganz Frankfurt am Laptop und drückt die ganze Zeit refresh.

"Also haben wir gesagt, dass wir jetzt auch mal den Mittelfinger zeigen und digitale Bilder von den Schuhen verkaufen."

Das heißt euer Problem war: Der Drop stand an, die Leute haben die Bots auf eure Seite angesetzt, ihr hattet Aufrufe ohne Ende und der Server ist zusammengebrochen?

Genau. Oder wir hatten 50 Paare online, aber weil so viel gleichzeitig bestellt wurde, wurden 100 Paar verkauft. Wenn 50.000 Bots gleichzeitig einen Schuh bestellen, dann verliert das System eben den Überblick über den Bestand. Dann musst du das Geld zurückzahlen und die Leute sind angepisst. Und eigentlich kannst du nichts dafür. Dann haben wir irgendwann angefangen zu sagen, wir stellen die Schuhe nicht mehr online. Wir haben es dann so gemacht, dass wir im Laden unsere Menge verkauft haben. Dazu haben wir uns ein altes Handy angeschafft und gesagt, ab 18 Uhr könnt ihr anrufen und wer durchkommt kann ein Paar kaufen. Das kam auch mega gut an und du hattest auch Leute, deren Größe nicht mehr vorrätig war und die dann gesagt haben: „Dann gib den Schuh jemand Anderem“, anstatt den einfach in der falschen Größe zu kaufen um den zu verkloppen. Das Problem war, auch wenn wir den Schuh nicht online hatten kamen trotzdem noch die Bots, der Server war drei Tage down und wir konnten unsere Webseite nicht nutzen. Dann haben wir uns entschlossen was zu unternehmen und haben überlegt, wie so ein Bot funktioniert. Der kriegt einen Befehl, kauft Produkt XY und hört dann erst auf, wenn er das Ziel erfüllt hat oder abgeschaltet wird. Dann sind wir auf diese Facebook-Werbungen von irgendwelchen unseriösen Dudes gekommen, die digitale E-Books und so verkaufen. Da bekommst du automatisiert ein Produkt und hast kein Rückgaberecht, weil wie willst du denn eine E-Mail zurückgeben? Du kannst zwar behaupten du löschst die, aber du kannst das Produkt auf deinem Rechner ja schon vervielfältigt haben. Also haben wir gesagt, dass wir jetzt auch mal den Mittelfinger zeigen und digitale Bilder von den Schuhen verkaufen. Dann haben wir die Schuhe in jeder Schuhgröße 3.000 mal online gestellt, mit dem Titel: „Bild von Schuh XY“ und in die Produktbeschreibung geschrieben, dass es sich nicht um den Schuh handelt, sondern um sieben Produktbilder des Schuhs zu je 10 Euro. Aber das erkennt so ein Bot natürlich nicht. Der sucht ja einfach nur nach dem Produktnamen und denkt dann: „Kaufen. Kaufen. Kaufen.“ Das geile ist, du musst beim Check Out abhaken, dass du dir im klaren bist, dass du ein digitales Produkt kaufst und keinerlei Rückgaberecht hast. Sobald die dann bezahlt haben, kam das Ding bei denen per Email an, die Bots haben sich abgeschaltet und wir haben gesagt: „Danke!“ und hatten ganz fix einen sehr hohen Betrag eingenommen…

Und die Website war startklar?

Die war auch mal kurz down, aber lief im Grunde.

Und was kam danach? Gab es Beschwerden?

Natürlich, die haben dann alle eine PayPal Beschwerde gemacht: „Hey das Produkt entspricht nicht der Beschreibung!“ Und PayPal guckt sich das natürlich an und meint so: „Doch, eigentlich schon!“ Da stand ja ganz klar: Es ist ein Bild von dem Schuh und nicht der Schuh. Und der Preis war ja auch anders, der Schuh hat 150 gekostet. Also hat uns PayPal bestätigt, dass wir vollkommen im Recht sind. Klar waren das irgendwann ziemlich viele PayPal Fälle und das ging dann so weit, dass PayPal, wenn ich auf die Beschwerde reagiert habe, antwortete: „Herr Schreiber, hören sie auf uns zu schreiben. Wir wissen eh schon alles. In zwei Tagen ist ihr Geld da.“ Klar haben dann ein paar Leute rumgeheult und geschrieben: „Ok, ich hab einen Bot genutzt. Das war vielleicht doof. Könnte ich meine Kohle wieder haben?“. Dann haben wir denen, die echt korrekt waren, einen 70 Euro Gutschein gegeben. Andere haben natürlich direkt die Hurensohn-Keule rausgeholt… Da gibt es auch einen angeblichen Chinesen, der uns geschrieben hat, dass er ein fünfzehnjähriger kleiner Junge sei und PayPal vom Papa benutzt hat und der würde ihn umhauen, wenn er das rausfindet. Gucken wir uns halt die E-Mail an und die Adresse war resell@… Da waren wir dann auch so: „Hmm, ja ne sorry.“ Dann hat der angefangen ein Foto von einem Unterarm mit ’nem blauen Fleck zu schicken, so als hätte ihn sein Vater verprügelt. Wir waren da nur so: Also wenn ich einen Sohn hätte und ich ihn verprügeln würde, wo haue ich ihn zuerst? Klar, der Unterarm! Der Unterarm ist immer die beste Stelle um seinen Sohn zu schlagen. Der ist sehr sensibel und fällt auch niemandem auf.

Zuhälter wissen: Niemals ins Gesicht.

Immer auf den Unterarm!

Wie viel hatte der denn gekauft?

100 Mal die Bilder.

Also hat der 7.000 Euro ausgegeben?! Was hat Nike denn zu der ganzen Aktion gesagt?

Ich hab denen im Vorfeld mitgeteilt, dass ich das mache. Wir haben auch auf unserem Blog, auf Instagram und Facebook angekündigt, dass es online nur Bilder vom Schuh gibt. Wir haben niemanden getäuscht. Jeder hätte sich vorher informieren können. Ich war dann in Amsterdam auf einem Nike Meeting und die haben das voll abgefeiert. Das geile ist auch, dass in der Sneaker Community echt viele ankamen und meinten: „Geil, da sind Supreme und Nike, die regelmäßig von Bots platt gemacht werden und nichts dagegen tun können und dann ist da so ein kleiner Pups-Shop aus Frankfurt, der die ganzen Bots auseinander nimmt.“ Das hat uns auf jeden Fall einen ganz guten Ruf bei denen eingebracht. Na klar, die Skater juckt das jetzt weniger, aber das ist auf jeden Fall für uns ganz geil. Wir können davon neue Shop-Klamotten machen oder mal ein Event hier in Frankfurt mehr pushen. Wir können unseren Teamfahrern vielleicht mal ein bisschen mehr geben. Nach dem Motto: „Danke Jungs!“ Die Kohle geht halt in die Skateszene. Wir können dafür mehr für unsere Jungs machen und ficken nebenbei auch noch Arschlöscher.

"Wir sind auf eurer Seite und wollen, dass ihr das Produkt auch kriegt und nicht, dass ihr dafür den dreifachen Preis bezahlen müsst"

Ihr habt mit dem Bilderverkauf mehr Kohle gemacht als mit dem eigentlichen Schuh, oder?

Genau. Die Schuhe kriegst du ja auch nur in einer bestimmten Menge. Aber so ein Bild kannst du so oft verkauft, wie irgendwer es kauft.

Macht ihr das bei den nächsten Drops jetzt auch wieder oder glaubt ihr, dass die Bots euch jetzt in Ruhe lassen?

Wir werden das auf jeden Fall noch öfter machen, aber ich glaube die werden trotzdem weiterhin kommen. Klar wird’s der eine oder andere vielleicht lernen. Ich glaube, das auf jeden Fall immer was reinkommen wird und für mich ist es geil, weil ich mach die Kohle damit und das sind Wichser, die es in Kauf nehmen, dass meine Website tagelang nicht läuft, die es in Kauf nehmen, dass Leute, die den Schuh tatsächlich anziehen wollen, den nicht kriegen während sie ihn einfach nur verkloppen wollen, um ihren Reibach zu machen. Dann sag ich: „Ist doch Ok. Ich mach hier auch meinen Reibach.“ Meine Mama hat immer gesagt: „Wenn dich einer anpisst, dann pisst du dreimal zurück, bis er ertrinkt.“ Also so genau hat sie das nicht gesagt, aber so in der Art.

Würdest du dir wünschen, dass mehr Shops eurem Beispiel folgen?

Natürlich wäre das cool. Ich meine, am Ende des Tages verdient man damit Geld, aber mir geht es halt auch darum, dass wir es möglichst fair machen möchten. Ich glaube es wäre für viele Shops cool, wenn die das machen würden. Klar, das könnte hier und da mal ein paar Jungs mega aufregen, aber damit würden die auch eine gewisse Stellung beziehen und sagen: „Ey schaut mal. Wir sind auf eurer Seite und wollen, dass ihr das Produkt auch kriegt und nicht, dass ihr dafür den dreifachen Preis bezahlen müsst.“ Also ich kann es nur weiterempfehlen. Dann lernen vielleicht auch mal die ganzen Bot-Spackos, dass die halt andere Wege finden müssen. Ich meine, klar wird das immer so sein, dass die dann was Neues finden werden und wir erfinden dann was Neues. Ich will das fair machen. Ich hab keinen Bock auf die ganzen Resell-Spasten. Klar, wenn jemand bei mir vor dem Laden campt, dann kann ich auch nicht kontrollieren, ob der Typ die Schuhe am Ende wirklich trägt. Aber immerhin hat er sich die Mühe gemacht und vor dem Laden gepennt.