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Die Memoiren des Christoph Wildgrube

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Normalerweise schreibt man seine Memoiren in gesetztem Alter, aber Willow hat auch jetzt schon eine Menge zu erzählen. Als einer von ganz wenigen Deutschen brachte er es in den USA zum Pro und legte eine erstaunliche Karriere hin. Wie es dazu kam und dass dabei nicht immer nur alles glatt gelaufen ist, erzählt er nun in seiner Biographie, die gerade im Blaulicht Verlag erschienen ist.

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Fast vier Jahre hat er mit der Autorin Nina Windisch an dem Buch gearbeitet und in ca. 30 Treffen alles gemeinsam zu Papier gebracht. Von den Anfängen auf dem Board in Ludwigsfelde, über den Einstieg in die Szene in Berlin, hin zum Partyleben nach Barcelona und schließlich rund um den Globus als gesponserter Skater, nimmt einen die dabei entstandene Biographie nun auf alle Etappen von Willows Leben mit.

Dabei wechseln sich witzige Anekdoten aus seiner Jugend, wie die als Willow dachte, seine Eltern würden Bong rauchen, mit reflektierten Einblicken in die Skateindustrie ab. Es werden sowohl die positiven, als auch die negativen Seiten der Traumwelt Skatepro geschildert und Willow hält dabei nichts zurück. Nicht nur, dass er etwa erzählt, warum er damals Flip gequittet hat, zum Ende des Buches berichtet er auch ganz offen über eine Angststörung.

Nachdem die sich auf Touren langsam immer mehr in sein Leben geschlichen hatte, packte sie schließlich auf einem Asien Trip endgültig zu und Willow musste reagieren. Er holte sich professionelle Hilfe und schaffte es, die Erkrankung zu überwinden und wieder völlig fit auf dem Brett zu stehen. Nicht umsonst ist er schließlich der German Hammerking.

Wer die komplette Geschichte erfahren möchte, der sollte sich das Buch holen. Wir haben, einen Tag bevor es mit dem VW-Bus Richtung Griechenland Urlaub ging, noch kurz mit Willow gesprochen und ihn vor allem zum abschließenden Kapitel befragt.

Willow, wie ist es denn zu dem Buch gekommen?

Das kam eigentlich durch meine Frau. Sie meinte: „Die Sachen, die du immer erzählst, sind einfach spannend und ich würde gerne mehr darüber wissen. Außerdem, wenn ich meine Freundinnen treffe, muss ich denen immer erklären was du machst und wenn du ein Buch darüber schreiben würdest, könnte ich das denen einfach zeigen.“ Dann habe ich damit angefangen und das Buch war erst schon länger geplant, aber dann kamen ein paar Sachen dazwischen. Und dann waren das wiederum ein paar Gründe mehr das Buch zu schreiben. Einfach um den Leuten zu zeigen… Naja ich weiß ja nicht, wie die Leute in Deutschland gerade Skateboarding sehen, aber in dem Buch steht es eigentlich schwarz auf weiß, wie es ist, wenn du als Deutscher Profi in den USA bist. Dann kann man das ein wenig nachvollziehen und vielleicht wollte ich den Kids auch etwas mitgeben.

Du hast ja schon angesprochen, dass es während der Entstehung des Buches Unterbrechungen gab und deine Angststörung ist am Ende des Buches explizit ein Thema. Ist das der Preis des Profi-Geschäfts, den du an der Stelle gezahlt hast?

Ne, das sind viele Sachen. Das ist nicht nur wegen Skaten gewesen. Der Auslöser waren eigentlich meine Frau und meine Kinder, aber dieser ganze Druck und das von Sponsoren fremdgesteuert sein – das ist ein großer Aspekt von alledem. Ich habe halt alles in mich hineingefressen und bin dann so geendet. Profiskaten war aber immer mein Traum und von daher war ich deswegen eigentlich immer glücklich, aber dann kommen auch Verletzungen dazu. Auch mental für das Selbstwertgefühl, z.B. wenn du einen Sponsor verlierst. Irgendwann rächen sich auch Alkohol und Drogen. Das kommt dann alles in einen Sack, den du auf deinem Rücken schleppst und irgendwann ist der so voll, dass du umfällst und nicht mehr weißt, wo hinten und vorne ist. Es wird einfach zu viel und du bist nur noch so eine kleine Ameise und weißt nicht mehr, was Realität und Wahrheit ist.

"Ich bin dann für zwei Monate in eine Klinik gegangen und habe einfach bei null angefangen und musste mir erst mal wieder erklären lassen, wie das Leben funktioniert"

Wenn du sagst, dass deine Frau und deine Kinder der Auslöser waren, bedeutet das, dass du Angst hattest, die zu verlieren, oder? Das waren Verlustängste.

Genau, diese Verlustängste waren der Auslöser. Und dann hat sich das zugespitzt. In zwei Monaten wurde es so extrem, dass es halt auf die Sachen hinausgelaufen ist, die ich dann im Buch schildere. Ging ganz schnell. Und ich kann nur jedem raten, der Anflüge davon hat, lasst euch direkt behandeln. Weil ich habe es nicht gemacht und bereue es. Immer schweigen hilft nicht. Ich bin glücklich, dass ich nochmal die Kurve bekommen habe. Es hätte auch anders enden können.

Wie du es ja auch im Buch beschreibst, hast du die Sache jetzt in den Griff bekommen.

Genau, ich habe mich dann einweisen lassen. Ich bin für zwei Monate in eine Klinik gegangen und habe einfach bei null angefangen und musste mir erst mal wieder erklären lassen, wie das Leben funktioniert, warum ich auf der Welt bin und dass es Sinn macht, positiv zu denken, anstatt negativ. Sowas lernt man dann in Therapie und ich war abgeschottet von Familie und Freunden – keiner wusste, wo ich bin. Ich hatte zwei Monate keinen Kontakt zu irgendjemandem und deswegen hat das auch keiner mitgekriegt. Danach kam ich raus und man fühlt sich dann schon irgendwie beflügelt, ganz leicht und wohl. Du musst die ganze Welt wieder neu ertasten. Skaten musste ich wieder neu für mich entdecken. Aber klar, die Familie war halt meine Basis, meine Rettung. Meine Eltern, meine Kinder und meine Frau. Das war natürlich ein Volltreffer, Sechser im Lotto. Hätte ich das nicht gehabt, dann wäre es auch schwieriger geworden, da durchzukommen. So habe ich mich gut gefangen und bin stärker aus der Sache rausgegangen, als ich vorher war. Ich habe Sachen gelernt, die konnte ich mir vorher nicht vorstellen – was man alles mit dem Kopf hinkriegen kann und was nicht. Da sind zwar noch Narben, aber die Narben verheilen. Und manchmal tut so eine Wunde noch weh, aber du weißt, was es ist und lässt dich davon nicht beirren.

Ich finde es super, dass du so offensiv damit umgehst, weil das ja komischerweise immer noch ein gewisses Tabu ist. Wenn jemand einen Blinddarm rauskriegt und im Krankenhaus liegt, würde ja auch niemand sagen: „Oh, das ist irgendwie seltsam.“

Genau, psychische Erkrankungen sind Gang und Gäbe. Was ich da auch erfahren habe, wie viele Leute und was für Menschen damit zu kämpfen haben. Das würdest du gar nicht glauben. Echt krass. Und es tut echt gut, sich da mal komplett zu regenerieren.

Willow hat sich glücklicherweise komplett regeniert und wer seine Geschichte lesen möchte, kann das jetzt in "The German Hammerking" tun. Falls jemand zwar Interesse an den Geschichten hat, aber kein Freund des geschriebenen Wortes ist, dem kann evtl. auch geholfen werden, denn sobald Willow zurück ist aus Griechenland, will er Lesungen mit dem Buch machen, auch wenn er noch nicht so genau weiß, wo: "Vielleicht fange ich einfach in Ludwigsfelde an, wo ich geboren bin. In der Gesamtschule dort", hat er uns verraten. Der Rest wird dann sicher folgen. Wir halten euch auf dem Laufenden.

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