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Holger von Krosigk Interview

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Um das Jahr 2000 rum erreichte Skateboarding bis dahin ungeahnte Höhen und das damalige DC Team gehörte zu den absolut krassesten Teams. Man denke nur an die 98er Super Tour durch Europa. Aber auch das deutsche DC versammelte das Beste was damals hierzulande auf einem Brett unterwegs war. Einer davon ist Holger von Krosigk, der bereits vor 15 Jahren mieseste Rails und Ledges komplett zerlegte. Wir haben uns erkundigt, wie ihm die Zeit in Erinnerung geblieben ist.


Holger von Krosigk
Fangen wir mal mit den Basics an. Holger, wann warst du auf DC, wie lange warst du drauf und wie würdest du die Zeit so grob umreißen?

Ich war so ziemlich von Anfang an dabei, als DC in Deutschland gestartet ist. Das müsste ungefähr 1994/95 gewesen sein. Es ging eigentlich bis zum Schluss bei mir, bis ich ins Berufsleben übergegangen bin. Bestimmt bis 2004. DC war mein längster Sponsor, die ganze Skate–Zeit durch.

Das DC Team zu der Zeit war ja auch eine echte Hausnummer.

Ja, ich würde sagen wenn man das amerikanische DC Team Ende der 90er anschaut, war das auf jeden Fall das Team überhaupt. Das war für mich praktisch das Nachfolgeteam der Bones Brigade in den 80ern und des PlanB Teams Anfang der 90er. Dann hat Stefan [Lehnert] das in Deutschland quasi versucht zu übersetzen, eine bestimmte Zeit lang waren wir wohl auch das Team in Deutschland, das kann man glaube ich schon sagen.

Gab es denn auch eine Verbindung zum US–Team?

Der Stefan Lehnert war wohl ganz gut vernetzt, für mich ging es mit den US-Pros aber nicht über „Hallo“ und „Tschüss“ hinaus. Es gab die DC–Challenge in der Frankfurter Eishalle. Da waren wir zur gleichen Zeit am gleichen Ort. [lacht]

"Du hast nicht geschaut, wieviele Likes oder Views du hast, wieviel dein Instagram Account wert ist"

Es gab bei dir auch nie die Bestrebung es in Amerika zu versuchen?

Also wenn du mich zu der Zeit gefragt hättest, dann hätte ich wahrscheinlich gesagt: „Würde ich gerne probieren“. Allerdings war dafür die Infrastruktur einfach nicht da, der Kontakt war nicht da. Dieser Weg, wie das funktionieren sollte, war für mich gar nicht klar. Ich glaube auch, dass es damals ein bisschen schwieriger war, es gab ja keine YouTube Clips, die man selbst oder der Teammanager mal eben kurz mit ’ner E–Mail irgendwo hinschicken konnte. Es war ja viel, viel langsamer. Letztendlich musstest du ’ne physische Kassette irgendwo hinschicken. Insofern war es vielleicht ein bisschen schwieriger, ich war aber auch nicht super ambitioniert und wollte da nicht alles auf ein Karte setzen, weil ich ab ’96 studiert habe.

Holger von Krosigk – 180 Nosegrind

180 Nosegrind

Du hast es also nie so richtig verfolgt mit Skaten noch mehr zu reißen? Pro zu werden?

Auf keinen Fall, bei mir gar nicht. Wenn mir jemand gesagt hätte: „Flieg nach Amerika, wir haben alles für dich organisiert“, dann hätte ich es mir sicher angeschaut. Es war für mich aber immer eine Sache, die neben dem Studium her funktionieren musste, das stand für mich außer Frage. Ich will nicht sagen, dass ich es nicht gemacht hätte, wenn die Chance groß genug gewesen wäre, aber der Wunsch war bei mir nicht so vorhanden.

War Skaten zu der Zeit allgemein eher was, was man nebenher gemacht hat? Siehst du da Unterschiede zu heute?

Also ich glaube, dass sich die Firmen in Amerika heute mehr Mühe geben, die Europäer zu integrieren. Du siehst bei Etnies, dass die Willow pushen, Flip holt Denny Pham usw. Das gab es früher vielleicht in Form von Sami Harithi, das war aber der Eine aus Deutschland, in den ganzen 90ern. Heutzutage ist es glaube ich so, dass die amerikanischen Firmen aktiv Europäer und auch Deutsche mitberücksichtigen, einfach weil es ein großer Markt ist und die Leute gut skaten. Die Chancen waren damals nicht so groß und das hat es natürlich auch ein bisschen zu diesem Hobby Level gemacht. Du wusstest einfach, dass Sachen nicht gehen. Ich sag nicht, dass es unmöglich war. Andere haben es ja auch geschafft zu der Zeit. Heute ist die Wahrscheinlichkeit aber höher, dass wenn du gut fährst, du auch international Aufmerksamkeit findest.

Veith [Kilberth] kam damals z.B. auf Think.

Genau. Aber heute ist die Anzahl der Leute, die international gesehen werden auf jeden Fall höher. Du hast einen Denny Pham, einen Alex Mizurov, einen Lem, du hast den Willow, Pfanner und so weiter. Es ist schon normaler geworden.

Holger von Krosigk – Frontside Tailslide

Frontside Tailslide

Hättest du diese Chancen auch gerne gehabt oder bist du happy damit, wie es war?

Ich hätt’s damals super gefunden, find’s aber heute nicht schlecht, dass ich die anderen Sachen gemacht habe. [lacht] Das muss ich ganz klar sagen – das Studium beendet zu haben, beruflich das gemacht zu haben, was ich gemacht habe, das bringt mir jetzt sicher mehr als da irgendwie durchgestartet zu sein. Und, so realistisch muss ich ja auch sein, ich wäre nicht der nächste Andrew Reynolds gewesen, sondern irgendwie auf ’nem mittleren Niveau durchgeschliffen worden. Ich bin super froh wie es war, ich habe es in der besten Zeit mitgenommen und früh genug den Absprung geschafft.

Was waren denn damals die besten Erlebnisse?

Ich glaube, dass die ganze Geschichte noch nicht so professionell war und dass man mehr Spaß an einfachen Sachen hatte. Nicht jede Tour und jedes Video, das du gemacht hast, musste auf internationalem Niveau sein. Man ist einfach rausgegangen und es war alles spontaner. Da es nicht so medialisiert war, dass du nicht dein YouTube Video rausgeschickt hast, hat es auch irgendwie lebendig gemacht, weil du nicht geschaut hast, wieviele Likes oder Views du hast, wieviel dein Instagram Account wert ist. [lacht] Es war alles ein bißchen weniger transparent und hobbymäßiger, aber das hat auch mehr Spaß gemacht.

"Ich würde schon sagen, dass ich nicht so viel anfangen kann mit diesem pseudo kreativen Skaten"

Wenn man sich Sachen von damals anschaut, habt ihr ja trotzdem hart abgeliefert. Wie siehst du das damalige Skate–Level im Vergleich zu heute?

Das Level heute ist natürlich viel weiter, ich glaube aber, dass damals einzelne Leute mit ihren Tricks mehr rausgestochen sind. Das allgemeine Level heute ist mehr angeglichen. Jeder macht seinen Backside Tailslide Flip Out, damals waren es eher einzelne Highlights. Das allgemeine Niveau war damals schon viel niedriger, aber es stimmt schon, dass es ein paar Tricks gab, die auch heute noch genau so stattfinden könnten.

Vor allem ist mir die Ledge in Laubenheim im Gedächtnis geblieben, an der du alles gemacht hast.

Also alles nicht. [lacht] Ich habe Frontside Crooks runter gemacht, Kickflip Frontside Noseslide. Auf der anderen Seite Kickflip Noseslide, Nollie Crooks, Nollie Noseslide, Frontside Flip Fakie Nosegrind, Feeble Grind… Alles mögliche. Mit Holzplatten Anfahrt. [lacht]

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Du hast auch Kickflip Noseslide an der Asta Ledge gemacht. Als das DC Team vor vier Jahren da war, hat Nick Dompierre den auch nochmal versucht und ich dachte: „Den brauchst du eigentlich nicht mehr machen. Den gab’s vor zehn Jahren schon.“

Ja? Wobei Kickflip Noseslide war für mich irgendwie so’n Warmup Trick. Ich konnte den Trick so gut, dass es für mich überhaupt keine Frage war, ob der geht. Es war nur eine Frage, ob ich mich traue, da reinzuspringen. Den Trick an sich hätte ich mit Augen zu machen können.

Was würdest du denn sagen, wenn du heute anfangen würdest, wie würde dein Skaten dann aussehen?

Die Frage ist schwierig, weil ich letztendlich ein Kind der 90er bin und mich das geprägt hat. Wenn ich aber heute aufgewachsen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich auch die Einflüsse von heute. Aber ich würde schon sagen, dass ich nicht so viel anfangen kann mit diesem pseudo kreativen Skaten. Also ich habe Respekt davor, wenn es hart ist. Ich habe natürlich Respekt vor Pontus und den Leuten, aber das ist nicht mein Ding. Gerade bei denen, die es dann nachmachen hat es irgendwie keinen Wow–Effekt.

Was sagst du denn im Rückblick zum Style der damaligen Zeit? Was war dein Lieblings–Schuh?

Ich fand den Style unschlagbar, ich finde auch heute noch, dass es eine großartige Zeit war. Wenn ich zurückschaue, die ganzen Mitte 90er Sachen, Droors und DC, das hatte so eine gewisse Freshness, die heute fehlt. Ich fand das schon ziemlich innovativ. Die Schuhe, die ich damals am liebsten geskatet bin und die auch heute noch meine Favorites sind, das sind der Lynx und der Manteka. Ich weiß allerdings, da ich ja heute ein Sneaker Magazin mache, dass der Schuh jetzt viel zu klobig ist, was natürlich auch daran liegt, dass die Hosen viel weiter waren. Der ganze Mensch war irgendwie breiter angezogen. [lacht]

Holger von Krosigk - Frontside 50-50

Frontside 50-50

Du hast zu der Zeit mit Popular ja auch deine eigene Company gemacht, wie kam es dazu?

Korrekterweise muss ich sagen, dass es nicht meine Firma war. Es war eine Firma von Urban Supplies. Ich war aber natürlich stark involviert und habe das Ding mit aufgebaut. Angefangen 2000 rum, ab 2002 oder so ein paar Jahre, drei oder vier. Da war dann ja auch ein Teil des DC Teams mit drin. Lennie Burmeister, Jan Kliewer, Andi Poberer.

Warum habt ihr Popular gestartet?

Naja, deutsche Marken gab’s nicht viele. Letztendlich wollten wir einfach das was man macht, die Leute, die man um sich hat und gut findet, irgendwie zu einer richtigen Firma formen. Mit ’nem eigenen Ansatz, ’nem eigenen Style, ’ner eigenen Aussage. Teilweise ist uns das ganz gut gelungen, zum Schluss war’s irgendwie schwierig, aber das war glaube ich eher der allgemeinen Marktsituation geschuldet.

"Wenn ich zurückschaue, die ganzen Mitte 90er Sachen, Droors und DC, das hatte so eine gewisse Freshness, die heute fehlt"

Und was war die Idee hinter der Marke? Was wolltet ihr verkörpern?

Vom Namen her war die Idee mit dem Lauten der Szene zu spielen, populär sein, laut sein, bunt sein. Auf der anderen Seite war es auch ein bisschen ironisch, weil wir es ja als Personen gerade nicht waren, sondern eher ruhig und geradlinig. Mit diesem Gegensatz wollte wir spielen, deswegen teilweise große Logos, abgewandelte Coca Cola Schriftzüge, etwas Popkultur auf eine ironische Weise mit reinbringen.

Das kommt ja gerade wieder zurück, große Logos, Windbreaker und sowas. Was sagst du zu dem Revival?

Ich find’s cool das zu sehen. Ich glaube es ist ein normaler Zyklus. Wenn man eine Weile dabei ist, dann kommen gewisse Sachen einfach zurück und ich hab’s bei Schuhen sogar mal ausgerechnet. Sachen kommen meistens dann zurück, wenn die, die sie sich mit 15 kaufen wollten erwachsen sind und wieder zurückschauen. Die Nostalgie, die da aufkommt vermischt sich dann auch mit der neuen Generation und solche Sachen kommen dann nach 15, 20, 25 Jahren wieder zurück. In jeder Form von Popkultur verschwinden Sachen nicht einfach.

Als ich kürzlich alte Klamotten von mir im Keller gefunden habe, musste ich ziemlich lachen.

Wenn du damals die Sachen gesehen hättest, die heute getragen werden, den Koston Schuh mit der Socke, die wären umgefallen. Insofern, ganz lustig.

Holger von Krosigk – Nollie Noseslide

Nollie Noseslide

Hast du noch alte DC Sachen zu Hause?

Ich bin leider ein sehr schlechter Aufheber. Natürlich wünschte ich, ich hätte zumindest selektiv ein, zwei Teile von damals aufgehoben, aber ich habe wirklich fast gar nichts. Ich habe total viele, sehr coole Sachen besessen, die ich einfach runtergeskatet und weggeschmissen hab.

Gibt’s denn irgendwas, bei dem du im Nachhin denkst: "Was hab ich mir denn dabei gedacht?", also kleidungsmäßig oder trickmäßig?

Ne, würde ich nicht sagen. Ohne dass es jetzt eingebildet klingt, aber ich habe schon irgendwie sehr früh gewusst, was ich machen will und habe das recht unverändert durchgezogen. [lacht] Deswegen wird es von mir, mit winzigen Ausnahmen, keine diskreditierenden Fotos geben, mit Tricks, die total vergänglich waren.

Um 2000 rum ist Skateboarding durch Tony Hawk’s Pro Skater und X-Games ja ziemlich durch die Decke gegangen. Hat man da als gesponserter Fahrer in Deutschland auch finanziell was von gemerkt?

Also ich war ja bei Urban Supplies und die haben gewusst, dass nach den guten auch schlechte Zeiten kommen und haben das dementsprechend immer recht gleich behandelt. Wir haben’s schon auch ein bisschen bemerkt und ein bisschen Geld damit verdient, haben Photo Incentives und monatliches Festgeld bekommen. Da hat aber niemand mit Geld um sich geworfen. Ist leider nicht bei uns angekommen. [lacht] Bei Urban und den ganzen Shops wurden allerdings schon einige Schuhe verkauft, da wurde gut Geld verdient. Das werfe ich aber auch niemandem vor, ich weiß auch nicht, ob ich es selbst an mich weitergeleitet hätte. [lacht]

Holger von Krosigk – Backside 5-0

Backside 5-0

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